„Einen von uns wählen“ – Strategien der extremen Rechten im kommunalen Wahlkampf

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Quelle: Wikipedia Commons

Eigentlich ist das Verhalten der NPD widersinnig. Eine Partei, die das Parlament abschaffen will, tritt zur Wahl für genau dieses Parlament an. Doch von diesem Auftritt als quasi-demokratische Partei dürfe man sich nicht täuschen lassen, erklärt Pascal Begrich, Geschäftsführer des Miteinander e.V.: „Das ist ihr Weg, das parlamentarische System zu zerstören und eine autoritäre Gesellschaft zu errichten, die auf der Idee einer rassischen Volksgemeinschaft basiert.“ Der Kampf um die Parlamente ist für die NPD deshalb interessant, weil sie die Zustimmung bei Wahlen zum einen als Zeichen für die Unterstützung in der Bevölkerung darstellen kann und weil sie zum anderen, wenn sie einmal ins Parlament gelangt ist, auf einen Gewöhnungseffekt der Bürger hoffen kann. Außerdem kann sie dort auf öffentliche Mittel und Informationen zugreifen.

Ob die NPD Chancen hat, in ein Parlament einzuziehen, hängt laut Begrich stark von der aktuellen Stimmungslage in Bevölkerung und Medien sowie der organisatorischen Aufstellung der Partei ab. In Sachsen-Anhalt konnte die NPD bei den Wahlen 2011 beispielsweise nicht in den Landtag einziehen, weil das alles bestimmende Thema zu dieser Zeit der atomare Supergau in Fukushima war. „Kaum vorzustellen, was passiert wäre, wenn die Wahlen auf dem Höhepunkt der Sarrazin-Debatte stattgefunden hätten“, meint Begrich.

Der Wahlkampf der NPD konzentriert sich meist auf zwei hauptsächliche Zielgruppen: Jung- bzw. Erstwähler und Nicht-Wähler. Erstwähler sind nur schwer über traditionelle Medienangebote zu erreichen, deshalb versucht die NPD mittlerweile auch mediale Kanäle wie Facebook, Twitter oder Youtube zu nutzen. Durch die sogenannte „Schulhof-CD“ will sie zudem Jugendliche langfristig an die rechtsextreme Kultur heranführen. Für ihre andere Zielgruppe, die Nichtwähler, versuchen sich die Rechtsextremen als bürgernahe Alternative zu den etablierten Parteien darzustellen. Dieses Nicht- und Protestwähler-Potential ist allerdings von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich. 1998 konnte die DVU in Sachsen-Anhalt aufgrund eines großen Parteienverdrusses 12,8 Prozent der Stimmen gewinnen. Im Jahr 2011 gewannen in Sachsen-Anhalt die Grünen die meisten Stimmen von bisherigen Nichtwählern und die NPD konnte nicht in den Landtag einziehen. Dabei hatte die NPD im Wahlkampf, laut Begrich, eigentlich keinen Fehler gemacht, das allgemeine Diskursklima bot nur keinen Platz für die typischen NPD-Themen, wie Asylpolitik, Kriminalität oder Integration. Dabei versucht die NPD zunehmend auch neue Themen zu besetzen: Zum einen sind dies hoch emotionale Themen, wie beispielsweise Kindesmissbrauch. Dort hat sie die „Todesstrafe für Kinderschänder“-Kampagne gestartet, die von vielen gar nicht als rechtsextreme Kampagne wahrgenommen wird. Zum anderen sind dies regional verankerte Themen, wie der Bau von Moscheen, der Umgang mit dem Braunkohletagebau oder die Kreisgebietsreform. Die NPD stilisiert sich dann als Anwalt des Kleinen Mannes und als regional-verankerte Partei, die die lokalen Themen vor Ort angeht. Bei all diesen Themen gilt allerdings für Begrich immer: „Je besser die Angebote der anderen Parteien sind, desto schlechter sind die Chancen der NPD.“

Auch wenn die NPD mit ihren Themen nicht in den Landtag in Sachsen-Anhalt einziehen konnte, so konnte sie doch in elf Kreistagen und in drei kreisfreien Städten kommunale Mandate erzielen. Erfolgreicher war die NPD nur noch in Sachsen: Dort erreichte sie 74 Kommunalmandate in 62 Städten und Gemeinden und sitzt mit 48 Mandaten in allen sächsischen Kreistagen. Das geht mit einer zunehmenden Konzentration auf die kommunale Ebene einher, erklärt Petra Schickert vom Kulturbüro Sachsen. So hat der ehemalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt einmal erklärt, dass das Antreten auf lokaler Ebene lohne, weil dort die Ausgrenzung der NPD einfacher umgangen werden könne. Und tatsächlich tun sich laut Schickert viele kommunale Politiker schwer, mit der NPD dort umzugehen. Viele Kommunalpolitiker fragen sich: „Hier gibt es doch nur die Sachebene, warum sollte man dann nicht auch mit denen zusammenarbeiten?“ Und genau das will die NPD auch erreichen: Auf der kommunalen Ebene als ganz normale Partei wahrgenommen zu werden. Dass die NPD jedoch keine normale Partei ist, erkennt man ganz deutlich in ihrem Parteiprogramm. Aber auch in ihren Aktionen: Bedrohungen sind zwar seltener geworden, denn häufig schützt die Öffentlichkeit Personen, die aktiv gegen rechts vorgehen, allerdings habe die Gewalt beispielsweise gegen Wahlkampfbüros der politischen Gegner zugenommen. Sechs mal wurde bereits das Wahlkampfbüro der Linken in Magdeburg in der letzten Zeit „entglast“, berichtet Begrich: „Politische Verlautbarungen und Gewalt gehören unmittelbar zusammen.“

Auf lokaler Ebene präsentiert sich die NPD allerdings viel zahmer und heimatverbundener: Mit dem Spruch „Einen von uns wählen“ zog beispielsweise Steffen Konkol in den Wahlkampf in der Sächsischen Schweiz. Er ist nicht nur Mitglied in der NPD, sondern auch im Sächsischen Bergsteigerbund. Auch Pascal Begrich kennt ein solches Beispiel aus Sachsen-Anhalt: Im Burgenlandkreis ist Lutz Battke dank seiner lokalen Verankerung sehr erfolgreich. Er war lange Zeit Fußballtrainer einer regionalen Jugendmannschaft. Die Wähler sagen sich dann: „Der macht zwar auch komische Sachen, aber es ist doch unser Lutz.“ Bei der Bürgermeisterwahl in Laucha hat er 24 % der Stimmen bekommen.

Wie es ist, wenn die NPD im Stadtrat sitzt, haben auch die Eisenacher schon erfahren. Dort gibt es zwei NPD-Stadträte: Patrick Wieschke und Jonny Albrecht. Besonders der NPD-Politiker Wieschke spielt dabei eine Rolle, die von der NPD gerne eingenommen wird: Er ist der „fleißige Kümmerer“, der unermüdlich Anträge und Anfragen schreibt. Die NPD nutzt dabei auch bestimmte Techniken, um populär zu werden: Sie stellt oft populäre Anträge, ohne zu erklären, wie diese finanziert werden sollen. Die anderen Parteien, die auch die Finanzierbarkeit prüfen, stehen dann bei der Ablehnung in der Öffentlichkeit als Buhmänner da. Schickert rät daher, ein Procedere zu entwickeln, wie mit solchen Anträgen der NPD umgegangen wird. Diese könnten beispielsweise an den Oberbürgermeister, den Ältestenrat oder in Ausschüsse verwiesen werden.

Auch Schickert sieht allerdings, dass aus demokratischer Sicht der Umgang mit der NPD teilweise problematisch sein kann. Beispielsweise wurde nach dem Einzug der NPD in einem Landkreis die erforderliche Höhe der Fraktionsstärke auf 10 Prozent angehoben, um die NPD auszuschließen. Das könnte aber auch für kleine Parteien das Aus bedeuten. Wenn sich die anderen Parteien absprechen, sei das für Schickert allerdings kein Problem: „Ziel ist, dass kein demokratisch gewählter Abgeordneter mit der NPD stimmt.“ Dies würde sonst eine Aufwertung und Normalisierung der NPD bedeuten. Zudem sollten die Kommunalpolitiker wissen, dass „die NPD alles, was die anderen Parteien tun, nutzen wird, um sich darzustellen.“ Wenn alle anderen Parteien einen Antrag ablehnen, wird sich die NPD als „Opfer des Parteienkartells“ darstellen. Wenn andere Parteien den Anträgen zustimmen, dann beginnt „die Einheitsfront“ zu bröckeln und die Vorschläge der NPD werden endlich umgesetzt.

In Sachsen hat man verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die NPD am Einzug in die Kommunalparlamente zu hindern. Es gab eine sachsenweite Kampagne unter dem Motto „Meine Stimme gegen Nazis“. Zudem wurde versucht, öffentlich zu machen, zu welcher Partei verdeckte NPD-Kandidaten gehören. Eine Fahrt durch die Jugendclubs war ebenfalls sehr erfolgreich, um junge Wähler zu erreichen.

In Thüringen finden im April die Wahlen zu den Land- und Stadträten statt. Noch ist nicht klar, wieviele Kandidaten die NPD aufstellen wird. Aus dem Vorgehen in Sachsen und Sachsen-Anhalt könne aber gelernt werden, wie wichtig ein offensiver Umgang mit den Kandidaturen ist. Man dürfe nicht mehr bloß auf die Aktionen der NPD reagieren, findet Schickert, sondern sollte bereits vor Ort aktiv werden: „Denn die Wahlerfolge sind kein Zeichen für die Stärke der NPD, sondern ein Zeichen der Schwäche der Demokratie.“