Auf dem Pfad enkeltauglicher Landwirtschaft (3/16)

Podcast

Gemeinsam, regenerativ und als lernendes System – wir besprechen mit der Genossenschaft Permagold aus Sachsen, wie sie die Agrarwende schon heute in der Oberlausitz ganz praktisch werden lässt.

Gemeinsam, regenerativ und als lernendes System – wie Agrarwende schon heute in der Oberlausitz ganz praktisch wird, besprechen wir mit der Genossenschaft Permagold.

Hand in Hand mit landwirtschaftlichen Akteur*innen vor Ort werden Flächen in Perma- und Agroforstkultur bewirtschaftet. Auf mittlerweile rd. 15 Hektar und den Streuobstwiesen gibt es bereits erste Erträge.

Die Flächen sind zugleich Reallabor für Neues und Innovatives. In engem Kontakt mit Wissenschaft und Forschung werden Erkenntnisse über die Skalierbarkeit von Erträgen, über Artenvielfalt und Bodenqualität gesammelt.

Podcast mit:

  • Anke Hahn und Andreas Kretschmer, Vorstand der Genossenschaft Permagold eG
  • Grit Ebert, Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e.V

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Diese Podcastreihe wurde im Rahmen des Verbundprojektes „Wirtschaften mit Zukunft“ konzipiert.

 Shownotes:
 

Ausführliches Interview: https://www.weiterdenken.de/de/2023/04/18/enkeltaugliche-landwirtschaft
Genossenschaft Permagold eG: https://perma.gold/ueber-permagold/
Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e.V.: https://www.weiterdenken.de/de
Impact Investing: (https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/impact-investing-120058).

Transkript:

Intro: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Reihe „Böll Regional“, in der wir euch Projekte aus verschiedenen Bundesländern vorstellen. Diese Staffel dreht sich um die Frage nach dem Wirtschaften mit Zukunft. Wir werden dabei Projekte und Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen präsentieren, die uns Wege zu einem nachhaltigen Wirtschaften zeigen.

Grit Ebert: Hallo, mein Name ist Grit Ebert. Ich arbeite bei Weiterdenken der Heinrich-Böll-Stiftung in Sachsen. Heute treffe ich mich mit Anke Hahn und Andreas Kretschmar von der Genossenschaft Permagold. Anke und Andreas sind im Vorstand der Genossenschaft, die sich einer “enkeltauglichen Landwirtschaft” verschrieben hat. Ökologische Landwirtschaft wird hier noch einen Schritt weitergedacht. Land wird nicht nur umweltfreundlich, sondern umweltaufbauend bewirtschaftet. Was das genau bedeutet und wie das in der Praxis aussieht, besprechen wir jetzt

Die Genossenschaft Permagold wurde 2017 gegründet. Wenn ihr eure Arbeit mit fünf Adjektiven beschreiben müsstet, welche wären das? Und warum fällt die Wahl auf genau diese fünf?

Andreas Kretschmer: Also mir fällt zunächst regenerativ, innovativ und praxisnah ein. Anke dir?

Anke Hahn: Ich würde noch gemeinschaftlich und lernend hinzufügen.

Andreas Kretschmer: Regenerativ, weil es im Kernmodell der Permagold-Genossenschaft steckt, dass wir nur Humus aufbauende Bodenbewirtschaftung machen und diesen regenerativen Ansatz leben. Innovativ, weil wir alles neu, auch in neuen Formen probieren. Und die Praxisnähe ist mir ganz wichtig, weil wir es eben nicht am grünen Tisch tun, sondern tatsächlich draußen auf dem Feld.

Anke Hahn: Gemeinschaftlich und lernend, weil es uns wichtig ist, dass wir neue, innovative Dinge gemeinschaftlich schaffen und beim Tun voneinander lernen. Ob das jetzt beim Wühlen in der Erde vor Ort auf einer der drei Flächen in Nebelschütz oder bei einem Brainstorming zur Kommunikationsstrategie oder zum Relaunch der Webseite der Genossenschaft ist oder ähnliches. Also wir legen bewusst Wert darauf, dass Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Horizonten zusammenkommen, denken und handeln. Und wir sind überzeugt, dass das letztendlich den bestmöglichen Lerneffekt bringt und den Erfolg der gesamten Mission Permagold ausmacht.

Grit Ebert: Lerneffekt ist ein gutes Stichwort für mich. Und zwar ihr seid noch eine relativ junge Genossenschaft, die sich am Anfang ihres Weges befindet. Ich gehe mal davon aus, dass da noch sehr viel Bewegung ist. Deswegen würde mich interessieren, ob ihr im Laufe eures bisherigen Weges Änderungen vorgenommen habt, Euch von Dingen verabschiedet bzw. ganz bewusst Dinge hinzugefügt habt.

Andreas Kretschmer: Die wichtigste Erfahrung und Erkenntnis hängt schon mit dem Gründungs- und Entwicklungsprozess des ersten Jahres zusammen. Die Permagold-Genossenschaft wurde in einem Impact Investing Modell gegründet, also mit einer Schwarmfinanzierung. Relativ schnell haben wir festgestellt, dass das aber gar nicht dem Werteverständnis des Kernteams und der Organe der Genossenschaft und vor allem auch vieler Genossenschaftsmitglieder entspricht. Vielmehr war es der tatsächliche Unterstützungswille für reale Veränderungen in der Bewirtschaftung, so dass es eigentlich eher ein Impact Funding war, das sehr gut funktioniert hat. Und das spiegelt auch sozusagen viel, viel besser wider, dass alle Organe der Genossenschaft ehrenamtlich arbeiten, also vom Aufsichtsrat über den Vorstand bis zu den Beiräten. Und das hatte auch zur Konsequenz, also auch eine wesentliche Veränderung, dass wir im letzten Quartal des vergangenen Jahres 2022 den Übergang zur Gemeinnützigkeit beschlossen haben in der Genossenschaft und eine entsprechende Neufassung der Satzung vorgenommen haben Und ich glaube, dass dieser gemeinnützige Charakter der Genossenschaft viel, viel besser die Realität widerspiegelt und auch das, was wir unter Permagold-Genossenschaft beschrieben haben - die “Agrarwende aus Bürgerhand” - viel ehrlicher dann widerspiegeln kann.

Anke Hahn: Also ich kann als relativ junges Mitglied der Genossenschaft und ihres Vorstandes eigentlich nur für das zurückliegende Jahr sprechen. Doch allein in dieser Zeit hat es jede Menge Dynamik gegeben, jede Menge Veränderungen, was Andreas ja auch schon angesprochen hat bezüglich Gemeinnützigkeit und Abkehr von Renditeversprechen. Aber auch personell hat sich einiges verändert, indem sukzessive mehr Frauen halt auch Funktionen übernommen haben in den Genossenschaftsgremien und eben sich die personelle Zusammensetzung gendermäßig nunmehr ausgeglichen hat, verteilt hat. Amanda Groschke ist seit letztem Jahr in den Aufsichtsrat berufen worden. Elli Scheibe ist angestellte Gärtnerin seit letztem Jahr des ersten Erzeugerbetriebes der Permagold Oberlausitz GmbH und ich unterstütze Andreas im Vorstand. Das war auch schon strategisch so vorgesehen, Frauen noch mehr Raum zu geben bei der Weiterentwicklung einer gemeinnützigen Genossenschaft. Und wir wollen diesen Vorsatz und dieses Vorhaben auch weiterverfolgen bei der Ergänzung unseres Teams in der Zukunft. Und als neue Perspektive, was Andreas auch schon angesprochen hatte, möchte ich noch hinzufügen, dass wir uns als Genossenschaft weiter öffnen wollen und aktiv an aktuellen Forschungs- und Entwicklungsdebatten im Bereich regenerativer Landwirtschaft, insbesondere Permakultur und Agroforstwirtschaft teilhaben wollen. Und das sowohl im deutschsprachigen Raum als auch gesamteuropäisch. Dazu gehört natürlich auch eine aktive Vernetzungsarbeit und die aktive Kooperation in Projekten, um darüber dann im Idealfall neue Erkenntnisse zu generieren und Innovationen gleich im “Reallabor Nebelschütz” erproben zu können.   

Grit Ebert: Das ist ein ganz fantastischer Übergang zu meiner nächsten Frage, denn da würde mich einfach interessieren, was ist denn aktuell bei Euch geplant bzw. in nächster Zeit? Gibt es schon konkrete Pläne oder Dinge, über die ihr berichten könnt?

Anke Hahn: Im Moment beschäftigt uns in erster Linie der Aufbau und die Stabilisierung des im letzten Jahr gegründeten ersten Erzeugerbetriebes, der Permagold Oberlausitz GmbH in Nebelschütz. Dazu gehört von der Personal- und Anbauplanung bis zur Vermarktungsperformance im Hofladen in Nebelschütz als auch auf dem Wochenmarkt in Dresden eigentlich alles. Und die Permagold eG unterstützt den Erzeugerbetrieb in seinem alltäglichen Geschäft und kümmert sich auch um begleitende Projekte und Fördermöglichkeiten, um den Betrieb mittelfristig auf feste Beine zu stellen.

Andreas Kretschmer: Vielleicht da anschließend und ergänzend: Uns fehlt organischer Dünger. Und so haben wir uns zunächst auf die ökologische Hühnerhaltung fokussiert.
An der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde wird sehr intensiv seit sechs Jahren in dem Projekt “Öko2Huhn” an dem Thema ökologische Hühnerhaltung geforscht und ich bin erst letzte Woche in Eberswalde gewesen, um mit Annemarie Kaiser, die das dort als Wissenschaftlerin seit Jahren betreut unter Federführung von Professor Hörning in den Dialog zu kommen, aber auch neue Forschungsfragen aufzuwerfen, die man gemeinsam in Angriff nehmen kann. Wir wollen also eine Hühnerhaltung mit einem Hühnermobil insbesondere in den Streuobstwiesen etablieren: Nicht nur, weil das Ei ein wertvolles Lebensmittel ist, sondern auch, weil wir es verbinden mit dem Thema des Zweinutzungshuhns, also nicht nur auf die hybride Legehenne Wert legen. Auch wollen wir vom Aussterben bedrohte Haustierrassen halten – wie etwa das Sachsen-Huhn. Das ist beispielsweise ein Thema mit offenen Forschungsfragen.

Aber ich glaube auch, dass wir neue analoge und digitale Bildungsformate entwickeln sollten. Wir müssen die Jugend mitnehmen. Wir kommen bestimmt auf das Thema “Enkeltauglichkeit” noch einmal zu sprechen. Und auch dafür braucht man eben geeignete Formate und das wird uns auch 2023 bewegen. Ein mir wichtiges Anliegen ist zu sagen, dass wir nach dem gelungenen Aufbau einer ersten Regionalgruppe in der Oberlausitz eine zweite Regionalgruppe in diesem Jahr sozusagen motivieren können, zu beginnen und sagen, dass wir sozusagen tatsächlich das, wo wir hinwollen, die Vision, dass wir wirksam in unterschiedlichsten Regionen Deutschlands zunächst mal auch wirksam werden. Hoher Anspruch, aber das treibt uns ja auch an. 

Grit Ebert: Im Zusammenhang mit Eurer Arbeit - vor allem in der Oberlausitz - fällt immer wieder der Begriff “enkeltauglich”. Was können sich die Hörer*innen uns unter “enkeltauglicher Landwirtschaft” vorstellen?

Andreas Kretschmer: Natürlich prägt uns immer wieder sozusagen die Nähe und die enge Zusammenarbeit mit Nebelschütz, weil das war die erste Gemeinde in Deutschland, die selbst ein Leitbild für Enkeltauglichkeit aufgestellt hat. Wir selbst sehen sozusagen da gar keinen Widerspruch, sondern einfach eine Herausforderung, dass wir, wenn wir heute handeln, eben unsere Kinder und Enkel mitdenken müssen, also in langen Zeithorizonten. Und das spiegelt einfach dieser Begriff Enkeltauglichkeit, der so wahrhaftig und so verständlich wieder. Und er ist nicht so überlagert wie Nachhaltigkeit und von so vielen verschiedenen Interessen getrieben

Das ist, glaube ich, ein sehr sympathischer Begriff deswegen sozusagen. Aber Permakultur und Waldgartensysteme, Agroforstsysteme sind eben auch enkeltauglich, weil sie zu einem hohen Anteil an Obstbaum, an Gehölzstrukturen, an Dauerkulturen im Strauchbereich haben, wo wir also nicht einen jährlichen Umschlag auf der Fläche haben, sondern wo sich ja auf der Fläche auch tatsächlich über Jahrzehnte Ökosysteme etablieren. Also da gibt es sozusagen einen engen Zusammenhang zwischen der Bewirtschaftungsform und der Enkeltauglichkeit. Und das, glaube ich, ist  wesentlich und ein bisschen ein kleiner Unterschied vielleicht zu der im Moment verbreiteten Form ökologischer Landwirtschaft. Also, auch wir landwirtschaften natürlich ökologisch, aber in unserem Mittelpunkt steht zunächst nicht sozusagen der Getreideanbau auf größeren Flächen. Der ist notwendig. Wir können sonst Ernährungssicherheit nicht gewährleisten. Aber wir fokussieren uns eben auf die Mischkultursysteme und schaffen da auch andere Erkenntnisse und andere Bedingungen.

Anke Hahn: Ich sehe in “enkeltauglich” auch eher so ein bisschen die Chance, durch diese Personifizierung auf die Enkel dann auch auch noch mal klar zu machen, dass wir einfach eine Landwirtschaft beschreiben wollen oder auch mit Inhalten füllen wollen, die mit wenig Ressourcen auskommt. Dass eben noch die Kinder, Enkel und Urenkel sich am Land oder an der Natur erfreuen können in Zukunft, dass diese Bewirtschaftung das zulässt und sich (wieder) mit natürlichen Stoff-Kreisläufen auseinandersetzt, diese integriert, diese Vielfalt fördert, die es eigentlich braucht auf dem Acker. Und aus unserer Sicht sind dabei entsprechende Nutzungen, welche Natur und Umwelt nicht überbelasten, alle Landbauweisen, wie Andreas schon gesagt hat und auch die Haltungsformen, enkeltauglich, egal ob biologisch, dynamisch, ökologisch oder einfach nur nachhaltig. Auf das “Wie” kommt es am Ende an. Wie bewirtschaftet ich das Land? 

Grit Ebert: Würdet ihr sagen, dass eure Art des Wirtschaftens eine Wirtschaft mit Zukunft ist? Und wie würdet ihr das begründen? Ihr habt ja jetzt gerade schon mit der Enkeltauglichkeit plastisch gemacht, was ökologisch passiert. Jetzt blicken wir vielleicht nochmal auf die Ökonomie?!

Andreas Kretschmer: Das ist natürlich die Herausforderung, der sich die Genossenschaft stellt und die wir sozusagen mit den Erzeugerbetrieben gemeinsam erproben und nachweisen wollen und da auch ein wirklich langjähriges, zehnjähriges Monitoring anstreben: ökologisch und ökonomisch.

Es ist eine Frage insbesondere der Arbeitsintensität und Arbeitskosten. Wir sind zunächst, wenn wir ein Permakultur-, ein Waldgartensystem aufbauen, in einer ganz klassischen Vorfinanzierungssituation. Wir pflanzen mehrjährige Beerensträucher. Wir pflanzen Obstbäume und warten auf den Fruchtertrag, der irgendwann später eintritt, haben aber jetzt sozusagen die investiven Kosten und die Arbeitskosten. Dafür braucht man kluge Modelle, wie man das entwickelt und aufbaut.
Ich greife kurz zurück: Da kann die Hühnerhaltung eine Rolle spielen. Da spielt Direktvermarktung eine große Rolle.
Man muss also wirtschaftliche Standbeine aufbauen und entwickeln, die dieses langfristige Entstehen von Ökosystemen, stabilen Systemen überbrücken kann.

Was wir aber heute schon beobachten bei den ersten Anlagen, die wir nach Permakultur-Prinzipien in Nebelschütz angelegt haben auf zwei kleineren Flächen - so klein nun auch wieder nicht, aber doch noch überschaubar -, dass sich nach vier, fünf Jahren das einstellt, was man erwartet: Der Pflegeaufwand geht gegen Null. Der Aufwand reduziert sich weitgehend auf die Ernte und die Verarbeitung des Fruchtertrags. Und da dreht sich das!

Und unsere Erwartung ist, dass wir das auf einem Hektar, auf 5-Hektar-Flächen usw. werden erleben können. Wir wissen es nicht, aber die Überzeugung und die Fundamente dafür sind da. Wir können uns auch auf ganz gute internationale Erfahrung stützen. Zumindest in Frankreich ist auf einer Ein-Hektar-Fläche wissenschaftlich belegt, dass sehr gute, auch wirtschaftliche Resultate erreicht werden können, sodass wir jetzt nicht ganz der Avatar sind, der fundamentlos daran glaubt. Nein, es gibt schon eine ganze Menge Initiativen, die das belastbar unterlegen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Anke Hahn: Unser Joker ist die Kooperation mit den Landwirten vor Ort, die uns unterstützen bei der Bewirtschaftung. Ohne sie würden die Flächen so nicht bewirtschaftbar sein. Je mehr wir die Hektarzahl erhöhen und dort bestimmte Anbausysteme erproben oder umsetzen wollen, umso mehr braucht man auch die Man- oder Frauenpower. Und da sind wir über die Partnerlandwirte sehr glücklich, dass sie so unterstützen mit Technik und Arbeitszeit. Sie gleichen das ihrerseits wiederum durch eigene Beschäftigungsmodelle, sei es das Freiwillige Ökologische Jahr oder Angestelltenverhältnisse aus.

Ich bin jetzt zwar keine Landwirtin oder Bodenexpertin, aber ich brauch mir nur regenerative Landbewirtschaftungsformen anzuschauen, mir die Methode erklären lassen, um recht schnell zu verstehen, dass nur auf diese Weise der zerstörte Humus im Boden wieder aufgebaut werden kann! Und Humus ist das zentrale Stoffwechselprodukt der Bodenlebewesen. Auf ihn kommt es am Ende an und sein Anteil im Boden entscheidet über Fruchtbarkeit, Effizienz und Ertrag.

Die Art des Bewirtschaftens wird in Folge zunehmender Klima-Herausforderungen noch bedeutender sein und werden. Ohne regenerative Landwirtschaft können wir, glaube ich, auch recht bald schauen, wo wir bleiben mit unseren Bedürfnissen nach einer guten Ernährung, nach einem guten Leben. Ich denke, der Boden ist die entscheidende Materie!

Grit Ebert: Andreas, Du hattest es gerade schon so ein bisschen aufgeworfen, dass Ihr ja auch so zeigen müsst, dass es ökologisch und ökonomisch machbar und skalierbar ist. Würdet ihr sagen, dass eure Art des Wirtschaftens eine Wirtschaft mit Zukunft ist? Und wie würdet ihr das begründen? Ihr habt ja jetzt gerade schon mit der Enkeltauglichkeit plastisch gemacht, was sozusagen ökologisch passiert. Jetzt gucken wir vielleicht nochmal auf die Ökonomie

Andreas Kretschmer: Ja, also das ist natürlich die Herausforderung, die sich die Genossenschaft stellt und die war sozusagen mit den Erzeugernbetrieben gemeinsam erproben und nachweisen wollen und da auch ein wirklich langjähriges zehnjähriges Monitoring anstreben: ökologisch und ökonomisch. Und es ist ja sozusagen eine große Frage insbesondere der Arbeitsintensität und Arbeitskosten. Wir sind zunächst, wenn wir ein Permakultur-, ein Waldgartensystem aufbauen, in einer ganz klassischen Vorfinanzierungssituation. Wir pflanzen mehrjährige Beerensträucher. Wir pflanzen Obstbäume und warten auf den Fruchtertrag, der irgendwann später eintritt, haben aber jetzt sozusagen die investiven Kosten und die Arbeitskosten. Dafür braucht man kluge Modelle, wie man sozusagen das entwickelt und aufbaut. Dass man also wirtschaftliche Standbeine aufbaut und entwickelt, die sozusagen diesen Langfrist-Charakter des Entstehens von Ökosystemen, stabilen Systemen überbrücken kann.

Grit Ebert: Magst du noch was ergänzen Anke? Ist regenerative Landwirtschaft eine Wirtschaft mit Zukunft?

Anke Hahn: Also, ich bin fest davon überzeugt, sonst würde ich das hier gar nicht machen, Ich brauch mir aber nur regenerative Landbewirtschaftungsformen anzuschauen und zusehen, mir die Methode erklären lassen, um recht schnell zu verstehen, dass nur auf diese Weise der zerstörte Humus im Boden wieder aufgebaut werden kann. Und Humus ist das zentrale Stoffwechselprodukt der Bodenlebewesen. Auf ihn kommt es am Ende an und der sein Anteil im Boden entscheidet über Fruchtbarkeit, Effizienz und Ertrag. Das Bewirtschaften Unternehmen, das wird in Zukunft glaube ich, mit Klima-Herausforderungen, die steigen werden, wird es noch mehr, noch bedeutender sein und werden. Und ohne regenerative Landwirtschaft können wir, glaube ich, auch recht bald schauen, wo wir bleiben mit unseren Bedürfnissen nach einer guten Ernährung, nach einem guten Leben. Ich denke, der Boden ist die entscheidende Materie.

Grit Ebert: Okay, vielleicht eine Frage noch. In Deutschland haben wir ja eine relativ große Flächenkonkurrenz. Mich würde einfach interessieren - der Ort Nebelschütz ist schon öfter gefallen -, wie kam es? Wie seid ihr auf diese Flächen da gestoßen? Was, was war da, was woanders vielleicht nicht gewesen ist?

Andreas Kretschmer: Nebelschütz hat aufgrund des Engagements des ehemaligen Bürgermeisters Thomas Zschornack, des Gemeinderates in Richtung Enkeltauglichkeit eine Strategie, konventionell bewirtschaftete Landwirtschaftsflächen nach Möglichkeit zu kaufen, und zwar insbesondere die, die im Konflikt zum Naturraum lagen, z. B. zur Jauer, die die gesamte Gemeinde durchzieht. Ziel ist es, Abstand zwischen dem Naturpotenzial der Aue und einer traditionellen Landbewirtschaftung zu bekommen.

Dann war es ein Prinzip der Gemeinde, diese Flächen ausschließlich dem ökologischen Landbau zur Verfügung zu stellen, entweder den regionalen Partnern, Ökolandwirten oder eben der Permagold Genossenschaft und heute der Permagold GmbH Oberlausitz. So kann man Kommunalentwicklung, Regional-, und Gemeindeentwicklung gestalten und man bekommt auf beiden Seiten lange Sicherheiten!
Wir, als Pächter der Fläche, haben 20 Jahre Pachtzeitraum. Das ist eine Voraussetzung für mehr Jahreskulturen! Sonst brauche ich gar nicht anfangen. Die Gemeinde hat die Sicherheit in der Entwicklung des Naturraums, der Bodengüte, in dem Raum der Abflüsse von der Fläche in die Jauer etc..
Kurz: eine Win-Win-Situation, die man erreichen kann in kommunalen Partnerschaften. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich eben auch andere Kommunen, und zwar gleich welcher Größe, öffnen würden! Natürlich werden wir auch Angebote an traditionelle Bodeneigentümer machen und sie versuchen, mit unserer Art der Bewirtschaftung zu überzeugen. Dann werden wir zur klassischen Landwirtschaft auch mal wettbewerblich auftreten und die Schultern breitmachen. Ob uns das gelingt oder nicht, ist leider oft eine Preisfrage.

Grit Ebert: Fühlt ihr Euch aktuell in Eurer Arbeit unterstützt, gut aufgehoben mit der aktuellen Politik oder eher nicht? Was muss besser werden?

Andreas Kretschmer: Da ist gerade sehr viel Bewegung! Wir erfahren tatsächlich Aufmerksamkeit als Voraussetzung für Unterstützung und gute Unterstützung: Ob das jetzt vom neuen Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau in Nossen hier im Freistaat Sachsen ist oder auch von den Regional-Initiativen, die in den letzten zwei Jahren, seit wir einen grünen Landwirtschaftsminister haben, geschaffen wurden: Das unterstützt grundsätzlich, ändert natürlich die realen Verhältnisse noch lange nicht. Aber ich glaube, dass das Verständnis der komplexen Auswirkungen von Klimawandel und energetische Ressourcen zunimmt und neues Denken zumindest mal ein Real-Labor bekommt, also mehr Freiheitsgrade. Diesen Trend spüre ich schon.

Grit Ebert: Mit ganz praxisnahen Einblicken in die regenerative Landwirtschaft möchten wir uns aus Sachsen für heute verabschieden. Ich wünsche euch, Anke und Andreas, weiterhin viel Ausdauer und Energie auf eurem Weg. Gern verfolge ich diesen auch in Zukunft, denn es reifen schon wieder viele weitere Ideen, wie wir heute hören konnten. Das war die Folge zum Thema regenerative Landwirtschaft, produziert von Weiterdenken der Heinrich-Böll-Stiftung in Sachsen.

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