Wie Brexit uns zu Migrant/innen macht

 

Seit den Brexit-Verhandlungen ist jedoch die Frage in den Vordergrund gerückt, wie es mit den zukünftigen Rechten der in den UK lebenden EU-Bürger/innen aussehen wird. Am 21. Januar 2019 kündigte Theresa May als Teil ihres Plan B an, die 65 Pfund zu streichen, die derzeit für den Antrag eines dauerhaften Aufenthaltsstatus‘ für europäische Bürger/innen in Großbritannien anfallen. Dieser ermöglicht den „settled status“ für in Großbritannien lebende Europäer/innen – solange sie lückenlose Unterlagen vorweisen können und seit fünf Jahren in Großbritannien wohnhaft sind. Für alle anderen sollte ein neues britisches Migrationsgesetz gelten, das von EU-Bürger/innen verlangt, mindestens 30.000 Pfund im Jahr zu verdienen, um in Großbritannien leben zu können.

Die Ungewissheit über die Folgen des Brexit hat dazu geführt, dass viele Menschen, Brit/innen wie andere Europäer/innen, jetzt schon in Betracht ziehen, das Land zu verlassen. Deshalb warnen viele Medien vor einem „Brexit Brain Drain“, der dem Land die so wichtigen Fachkräfte abzieht. Welche Gefühle hinterlässt der drohende Brext bei den Menschen aus anderen EU-Staaten, über die seit zweieinhalb Jahren verhandelt wird?

Alle fühlen sich verraten

Ich spreche mit Elena Remigi, Gründerin und Herausgeberin des ‚In Limbo‘ Projekts „Brexit Zeugnisse von EU-Bürger/innen“. In zwei Büchern hat sie 300 Geschichten von britischen und europäischen Bürger/innen gesammelt, die durch den Brexit betroffen sind. Dabei gebe es ein Motiv, dass sich durch viele der Geschichten zieht: Alle fühlen sich verraten. Verraten dadurch, dass die britische Regierung ihr Versprechen gebrochen hat, dass die Menschen ihre Bewegungsfreiheit durch den Brexit nicht verlieren würden.

Dass viele nun in Erwägung ziehen, Großbritannien zu verlassen, gehe insbesondere auf psychologische Gründe zurück. Auch Maike Bohn, Mitgründerin der Initiative the3million, welche sich für die Rechte der EU-Bürger/innen in Großbritannien einsetzt, sieht die persönliche Kränkung, Angst und das Gefühl, nicht willkommen und vom Staat geschützt zu sein, als entscheidende Gründe für die Identitätskrise vieler Europäer/innen.

Rhetorisch befeuert die britische Regierung dies noch: Im November 2018 behauptete Theresa May, Europäer/innen würden lediglich „die Warteschlange überspringen“. Weitere Brexit-Befürworter kündigten an, es würde in Zukunft darum gehen, ob (europäische) Migrant/innen Großbritannien wirtschaftlich weiterbringen würden. Nur diese dürften bleiben.

In diesem Klima wollen viele EU-Bürgerinnen nicht mehr bleiben und verlassen „freiwillig“ das Land. Aber nicht nur sie kehren Großbritannien den Rücken zu. Auch nicht wenige Briten gehen weg. Daniel Teltow, Mitgründer von British in Germany, einer Organisation, die sich als Teil von „British in Europe“ für die Rechte der Brit/innen in anderen europäischen Ländern engagiert, hebt hervor, warum Brit/innen ihr Heimatland verlassen: „Manche kommen nach Europa, weil sie den Brexit politisch ablehnen. Einige wollen nicht mit dem Brexit assoziiert werden. Andere glauben an das europäische Projekt, wollen EU-Bürger/innen bleiben oder haben Rassismus in Großbritannien erfahren.“

Nach dem Brexit plötzlich illegal

Der Brexit birgt große Gefahr für diejenigen Menschen, die bereits besonderen Risiken ausgesetzt sind. Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, Menschen mit Behinderungen und mit psychischen Problemen, Menschen mit Pflege- oder Erziehungsverantwortung, Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen und Kinder sind bereits vom Brexit betroffen, so Remigi.

Bohn von „the3million“ warnt, dass die Europäer/innen im Falle eines No Deals in einem rechtslosen Raum leben werden: „Die Briten haben ihre Grenze nach innen verlegt. Alle, Arbeitgeber/innen, Vermieter/innen, das Gesundheitssystem und Ärzte sind Einwanderungskontrolleure. Sie werden strafrechtlich verfolgt, wenn sie jemanden beschäftigen, der keinen legalen Einwanderungsstatus hat.“ Ergo, ab dem 29. März 2019 werden das all diejenigen sein, die nicht die physische oder psychische Möglichkeit hatten, sich um einen Aufenthaltsstatus zu bewerben.