Die „syrischen Eisbrecher“ im Jenaer Paradies

In der bis auf den letzten Platz ausgebuchten Veranstaltung stellten die zwei syrischen Eisbrecher Abdul Abbasi und Alaa Faham ihr Video-Projekt „German Lifestyle“ live auf der Bühne des Jenaer Theaterhauses vor. Nach erfolgereichen Vorführungen in Oldenburg, Flensburg und Düsseldorf traten die beiden zum ersten Mal im „grünen Herzen“ Deutschlands vor dem Publikum im osten Deutschen auf.

Die zwei jungen Syrer sind nach Deutschland gereist im Jahr 2014, um im Frieden zu leben und eine bessere Zukunft zu sichern. Nach der Flüchtlingswelle im Sommer 2015 verbreiteten sich in der deutschen Gesellschaft generalisierendes Denken und viele Vorurteile über oder gegen die geflüchteten Syrer. Abdul und Alaa wollten auf ihre Art und Weise die negative Stimmung ändern. Sie kamen auf die Idee, ein interkulturelles Video-Projekt zu gründen, in dem sie die negativen Klischees abbauen und eine Brücke zwischen beiden Gesellschaften entwickeln. „Ich selbst hatte Vorurteile über die Deutschen“ sagt Abdul. „Ich dachte, alle Deutschen sehen wie Oliver Kahn aus, sind immer wütend und ernst“ ergänzt er.

Während der Abendveranstaltung erzählten die beiden über ihre eigenen Erfahrungen in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft in Deutschland, als sie damals noch nicht so gut Deutsch sprechen konnten. Abdul erzählte von peinlichen Situationen, die er wegen der kulturellen Unterschiede erlebt hat. „Meine Heimat ist nicht tausendundeine Nacht und ich habe leider kein Kamel in Aleppo. Wenn ich eins gehabt hätte, wären wir dann zusammen geflüchtet“ erzählt Abdul ironisch über die gängigen Klischees über Araber bzw. die Syrer.

Von Politik ist GLS betroffen

Viele Sketsche aus dem GLS-Projekt wurden in der Veranstaltung gezeigt, welche alltägliche Situationen und typisch deutsche Gewohnheiten in witziger Weise darstellen, wie z.B. „deutsche und syrische Essgewohnheiten“, „die Mülltrennung in Deutschland“ und nicht zuletzt „deutsche Bürokratie“. Neben den humorvollen realitätsbezogenen Videos drehen die beiden auch Videos in einem politischen Kontext. Alaa zeigte sein Video, in dem er eine Botschaft an die deutsche Gesellschaft und vor allem an die Flüchtlingsgegner schickt. Er erklärt, dass die Neuankömmlinge gezwungen vor Gefahr und Terror geflüchtet sind. Sie wollen nun effektiv in der neuen Gesellschaft sein. Abdul wiederum richtet in einem Video seine Botschaft an die Partei NPD und ruft zur Toleranz auf. Er und viele Flüchtlinge

schätzen es, dass sie in einem demokratischen Land wie Deutschland leben dürfen. „Ihr unterscheidt euch nicht von diejenigen , die außerhalb Deutschlands leben, die Deutsche nicht kennen, und glauben, die Deutschen wären Nazis!“ kritisiert Abdul in dem Video die Politik der NPD.

Migrantische Selbstorganisation. Gestern heute und morgen

Im Anschluss an die Vorführung hat das einstündige Gespräch mit dem sehr neugierigen Publikum nicht gereicht, um alle Fragen beantwortet zu bekommen. Abdul und Alaa haben Einblicke in die Hintergründe der Entstehung des Projekts gegeben. Sie sind der Meinung, dass es keinen Sinn macht, die ganze Zeit übereinander und nicht miteinander zu reden. Das ist eigentlich die Idee hinter dem Projekt German Lifestyle. Das Eis zu brechen und über witzige Unterschiede zu lächeln.

Neben dem Projekt schreiben Abdul und Alaa gerade ein Buch über Syrer und Deutsche, das erst im Jahr 2018 veröffentlicht wird. Abdul lobte die großen Mühen unter den Mitgliedern der syrischen Gemeinschaft in Deutschland, vor allem in studienbezogenen Themen. Es gibt jetzt eine rasante Entwicklung im Bereich der migranitschen Selbstorganisation in Deutschland. Sucht man heute im Internet, findet man hunderte Videos, online-Plattformen und Erfahrungsberichte von Syrern über das Leben und Studieren in Deutschland. „Ein Projekt erklärt z.B. in dutzenden Videos, wie man mit einem Studium in Deutschland anfangen kann, welche Unterlagen benötigt sind, und welche Friste beachtet werden sollen. Es ist eine großartige Leistung“ findet Abdul und ergänzt „Solche Arbeit gab es vor 3 Jahren nicht“.

„Ich bin nicht integriert“

Abdul sieht sich nicht als integriertes Mitglied in der deutschen Gesellschaft, sondern inklusiert. „Ich mag das Wort Integration nicht“. Für Abdul bedeutet Integration, dass nur eine Seite in der Gesellschaft viele Mühen geben muss. Die richtige Integration klappt aber erst, wenn beide Seiten, die Deutschen und die Syrer, gegenseitig daran arbeiten. Leider liest man in den Medien häufig Hasskommentare, welche nur eine negative Stimmung bereiten. „Herr Abbasi, Sie sind Gafahr für dieses Land“ erzählt Abdul von diesem Facebook-Kommentar nach seinem Auftritt bei Anne Will. „Ich selbst habe keine Angst vor rassisstischen Menschen, aber das macht mich traurig, wenn ich beleidigt bin“ sagt Abdul.

Für Alaa ist es nachvollziebahr, wenn viele Geflüchtete traumatisiert sind, weil sie immer an die bittere Lage Syriens denken. Daher sollen sie mehr Mühe geben, um die Herausforderungen und Schwierigkeiten zu überwinden und sich als integrierte Mitglieder zu fühlen.

Wie lange bleibt ihr hier?

Alaa ist zwar unfreiwillig hierher gekommen aber er findet sich jetzt in Deutschland zurecht. Er hat schon deutsche Freunde und hat mit einem Studium an der Universität Hamburg angefangen. Wenn er an eine Rückkehr nach Syrien denkt, fragt er sich wohin? In seine komplett zerstörte Heimatstadt? Alaa möchte sich daher keine Sorgen machen, weil er nun auf sein Studium fokussieren will, um seine Zukunft sicherzustellen.

Abdul seinerseits sieht, dass der Krieg zwar Nachteile hat, aber auch Vorteile. Wegen des Kriegs befinden sich viele Syrer jetzt in verschiedenen Gesellschaften um die Welt. Sie haben die Gelegenheit, viele Erfahrungen zu sammeln, um diese in der zukunftigen Syrien einzusetzen, wenn der Krieg ein Ende nimmt. „ich habe hier eine Mission und ein Ziel zu erreichen. Meine ganze Familie ist in der ganzen Welt geteilt“ sagt Abdul und erklärt, dass eine Rückkehr bei ihm jetzt nicht in Frage kommt.